„Für mich ist es das erste Mal, dass ich mit Unternehmern von Spielhallen an einem Tisch sitze“, eröffnete Anette Langner, Vorstandssprecherin und Landesgeschäftsführerin des DRK Schleswig-Holstein sowie Vorstandsvorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein, am 22.Oktober 2018 im „Schloss“ in der Landeshauptstadt Kiel ihr Impulsreferat. Sie saß mit Vertretern des Hilfesystems aus Schleswig-Holstein, Abgeordneten des Kieler Landtages und Vertretern der Deutschen Automatenwirtschaft am Runden Tisch, der im Rahmen der bundesweiten Präventionstage unter dem Motto „Gemeinsam. Lernen. Helfen.“ von der Deutschen Automatenwirtschaft unter Federführung des Bundesverbandes Automatenunternehmer e. V. organisiert wurde.
„Wir bohren mit diesem Versuch dicke Bretter, das ist uns durchaus bewusst, aber wir wissen, dass es wichtig ist, gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und zusammen zu arbeiten“, sagte Georg Stecker, Vorstandssprecher des Dachverbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft e. V. „Es geht hier nicht darum tiefe Freundschaften zu schließen. Was wir uns wünschen, ist ein offener und ergebnisorientierter Dialog, der es uns ermöglicht, unsere Unternehmen am Leben zu halten und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass Menschen, die bei uns spielen nicht zu problematischen oder pathologischen Spielern werden“, fuhr er fort. Dies gehe nur gemeinsam mit allen Beteiligten: der Politik, den zuständigen Ministerien, dem Hilfesystem und den Betreibern von Spielhallen, so Stecker.
Diskussion am Runden Tisch
Der Präventionstag in Kiel war der Fünfte in dieser Veranstaltungsreihe. Moderiert von Carsten Kock, Chefkorrespondent Radio Schleswig-Holstein, fand er erstmalig in Form eines Runden Tisches statt. Den Beginn machten drei kurze Impulsreferate, um einige Aspekte der Prävention zu verdeutlichen.
Lara Bücker, Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Steffen Moritz, Arbeitsgruppe Klinische Neuropsychologie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, berichtete unter dem Titel „Wie behandelt man die Unbehandelten?“ von dem Selbsthilfeportal „Neustart“ der Arbeitsgruppe. „Wir stellten fest, dass die meisten Menschen mit einem Glücksspielproblem aus Scham lange warten, ehe sie zu einer Beratungsstelle gehen oder sich anderweitig Hilfe suchen“, erläuterte Frau Bücker. Hieraus entstand die Idee, eine anonyme Plattform zu schaffen, die es Spielern ermöglicht, sich ihren Problemen anonym im Internet zu nähern. Außerdem gibt es als Unterstützung eine App, die diese Form der Hilfe noch verstetigen soll. „In einer Vorstudie haben wir herausgefunden, dass unser Programm positive Auswirkungen auf das Spielverhalten haben kann“, so Bücker. Seit Januar 2018 ist das Selbsthilfeportal verfügbar und die begleitende Anwendungsstudie belegt die positiven Effekte auf das Spielverhalten der Nutzer. Das Portal hält nicht nur ausschließlich Themen bereit, die primär für Menschen mit problematischem Spielverhalten wichtig sind wie Finanzen, Spieldruck oder Rückfälle. „Das Portal hat weitere Module, die sich mit dem Selbstbewusstsein, dem Schlaf und der Aufmerksamkeit eines Menschen beschäftigen“, so Bücker weiter. Es gibt vielfältige Arbeitsblätter, die auch in der Beratung eingesetzt werden könnten. „Was wir uns wünschen, sind Kooperationen mit dem Hilfesystem, denn unser Portal ist sehr gut geeignet, Wartezeiten auf eine Therapie oder auf einen Termin in einer Beratungsstelle zu überbrücken“, sagte sie abschließend.
Lara Bücker, Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Steffen Moritz, Arbeitsgruppe Klinische Neuropsychologie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf
Anette Langner stellte in einem zweiten Impulsreferat Fakten des Glücksspielmarktes in Deutschland der Zahl problematisch und pathologisch Spielender gegenüber. Für Schleswig-Holstein sagte sie, dass es zwischen 5.000 und 11.000 problematische Spieler und ca. 3.000 bis 3.500 pathologische Spieler in dem nördlichsten Bundesland gäbe. Sie sprach über verhaltenspräventive Maßnahmen, die nach ihren Worten Grenzen hätten und daher in verhältnispräventive Maßnahmen münden müssten, um eine Umgebung mit reduziertem Glücksspielangebot zu schaffen. Langner räumte ein, dass die Unternehmer Maßnahmen gegen die Gefährdung der Spielgäste ergriffen und nannte das Sozialkonzept, zu dem jeder Betreiber einer Spielhalle oder Aufsteller von Geldspielgeräten verpflichtet sei. „Das Sozialkonzept ist das eine“, betonte sie und fragte: „aber wie wird es in den Unternehmen gelebt?“ Ihrer Meinung nach müsste dies durch die Ordnungsbehörden überprüft werden, was jedoch eher selten stattfindet. „Wie kommitten wir uns, jenseits der Kontrolle die Maßnahmen der Sozialkonzepte umzusetzen und den Spielerschutz besser zu machen?“ fragte Langner in Richtung der anwesenden Unternehmer. Hier stellte Simone Storch, Geschäftsführerin des Bundesverband Automatenunternehmer e. V. klar, dass sich die Unternehmen auf den Weg gemacht hätten, den Jugend- und Spielerschutz vor Ort zu verbessern. „Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Prävention ein fortwährender Prozess ist, der nicht irgendwann einfach abgeschlossen ist“, so Storch.
Anette Langner, Vorstandssprecherin und Landesgeschäftsführerin DRK SH, Vorstandsvorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein
Anja Lohse, Einrichtungsleiterin von Sucht- und Drogenberatungsstellen in den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Steinburg und der Stadt Neumünster der Therapiehilfe e.V., schloss mit ihrem Referat „Prävention aus Sicht einer suchttherapeutischen Einrichtung“. Sie lieferte mögliche Wege in die Sucht und sprach über den Stereotypen eines Spielsüchtigen. Er sei männlich, zwischen 30 und 50 Jahre alt und habe nach ihren Worten zwischen 50.000 und 60.000 € Schulden. „Spielsucht entsteht nicht von heute auf morgen“, so Lohse. „Spielsucht entsteht schleichend und verursacht weitere Bedrohungen “. Dabei nannte sie die Gefährdung der Beziehungen und den drohenden Arbeitsplatzverlust. Als Wege aus der Sucht beschrieb Lohse die Beratung, die Regelung über die Verfügbarkeit von Geldmitteln sowie eine mögliche Sperrung der betroffenen Personen vom Spielbetrieb. „Je eher ein Betroffener erreicht wird, um so günstiger ist dies für seine weitere Entwicklung“, sagte Lohse weiter und sie stellte abschließend die Frage, welche Verantwortung Betreiber hier übernehmen könnten bzw. welche Ideen sie hierzu hätten.
Anja Lohse, Einrichtungsleiterin von Sucht- und Drogenberatungsstellen in den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Steinburg und der Stadt Neumünster der Therapiehilfe e.V.
Vieles wurde in der anschließenden Diskussion aufgegriffen und es traten weitere Themen zutage. Martin Schmolz von der Staatskanzlei Schleswig-Holstein erläuterte am Bespiel von Finnland, wie verhältnispräventive Maßnahmen bei Geldspielgeräten greifen können. Hier stellte Andrea Tschacher, Landtagsabgeordnete der CDU-Fraktion, die Frage, wie es für die Unternehmer sei, wenn an dem Tisch Menschen säßen, die sich wünschten, dass die Spielhallen reduziert werden sollten. Georg Stecker machte hier deutlich: „Wir vertreten nur die Unternehmen, die sich an Recht und Gesetz halten!“ Die Reduzierung betrachtete er eher skeptisch und führte ein Beispiel aus Berlin an. „Hier wurde reduziert und man könnte sagen, jetzt ist alles gut, aber es gibt ca. 2.500 scheingastronomische Einrichtungen, die nicht in den Griff zu bekommen sind, in Sachsen sieht es ähnlich aus“, so Stecker weiter. Anita Klan von der FDP-Fraktion fragte, ob die Computerspiele der Einstieg für Geldspielgeräte seien und Patrick Sperber von der Landesstelle Schleswig-Holstein stellte klar, dass viele, die in die Beratungsstellen kämen, dies aufgrund einer gerichtlichen Anordnung täten, nicht aus eigenem Antrieb. Einig waren sich die Teilnehmer, dass es ein bundeseinheitliches Sperrsystem, spielformenübergreifend, geben müsse. Aufgrund der Fragen und Anmerkungen zeigte sich die Vielschichtigkeit des Themas Glücksspiel in Deutschland und die Anwesenden vereinbarten, sich in einem Jahr erneut zu treffen, um den Dialog fortzusetzen.
Andrea Tschacher, Landtagsabgeordnete der CDU-Fraktion
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