Nach der positiven Resonanz auf den ersten Präventionstag in Stuttgart im April 2017 und dem Wunsch aller, diesen Dialog fortzuführen, fand am 16. September 2019 der zweite Präventionstag in Form eines Runden Tisches statt – Runder Tisch deshalb, weil er eine noch intensivere Diskussion möglich macht.
Quelle: AWI
Zu Beginn resümierte Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes des Dachverbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V., die Historie der inzwischen sieben Präventionstage bundesweit. „2017 haben wir einen Tabubruch begonnen“, so Stecker. „Trotz aller gegenseitigen Ressentiments und in dem Wissen, dass es dicke Bretter sind, die wir bohren müssen, haben wir uns auf den Weg gemacht, um mit den Präventionstagen eine gemeinsame Plattform für Diskussionen, Kritik und auch Annäherung zu schaffen.“ Der Dialog bewirke Veränderung auf allen Seiten und die Automatenwirtschaft versuche, Missstände oder Verständnisschwierigkeiten auszuräumen. „Auch wenn wir wissen, dass der Weg noch weit ist, ist eines sicher: Es lohnt sich, ihn weiterzugehen“, erklärte Stecker. „Spielerschutz ist für uns kein Selbstzweck“, so Stecker weiter. „Wir wollen mit pathologischen Spielgästen kein Geld verdienen! Dies ist unsere Kernbotschaft.“
Angelika Hensolt vom Südwestrundfunk, die wieder die Moderation übernahm, verwies auf die These der Veranstaltung: „Ist eine engere Verzahnung von Hilfesystem, Glücksspielbranche und Ordnungsbehörden möglich?“ Die Referenten, Volker Brümmer, Leiter Selbsthilfegruppe Stuttgart, Kristina Kasimirski und Günther Zeltner, Evangelische Gesellschaft Stuttgart (eva) sowie Michael Mühleck, 1. Vorsitzender des Automaten-Verbands Baden-Württemberg e.V., berichteten hierzu aus ihrem Blickwinkel. Dabei erzählte Volker Brümmer schonungslos offen von seiner eigenen 23-jährigen Spielerkarriere, die ihn fast das Leben gekostet hätte, wenn er nicht seine Tochter gehabt hätte. Das Spielen an dem Geldspielgerät gab ihm anfangs Sicherheit und Selbstbewusstsein: „Meine Kumpels machten Mädchen an, ich den Automaten“, sagte er nicht ohne Ironie. Später, als das Spielen an möglichst vielen Geräten gleichzeitig seinen Alltag bestimmte und beherrschte, konnte er erst aus der Spielhalle nach Hause gehen, wenn er kein Geld mehr hatte. Das Geld wurde für ihn zu „Monopoly-Geld“. Dabei stand manchmal die Logistik, alle Geräte gleichzeitig zu bedienen, mehr in seinem Fokus als das Spielen selbst. „Danach konnte ich auch wieder der fürsorgliche Vater und Ehemann sein und am nächsten Tag auch die schlechte Laune des Chefs ertragen“, so Brümmer weiter. Für ihn war das Spielen Sicherheit und Ventil zugleich, auch wenn er verlor. Als er dann eines Tages seiner Tochter kein Eis mehr kaufen konnte, weil er keinen Cent mehr hatte, stand er kurz vorm Abgrund. Aber er hat sich selbst gerettet. „Ich bin den Weg in die Beratungsstelle gegangen und habe mir Schritt für Schritt mein Leben zurückerobert“, so Brümmer. Inzwischen ist das zwölf Jahre her und seit nunmehr zehn Jahren leitet Volker Brümmer die Selbsthilfegruppe bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. „Eines meiner Hauptziele ist es geworden, Menschen aufzuklären. Für mich ist es daher wichtig, an diesem Runden Tisch zu sitzen und ins Gespräch zu kommen.“
Diese sehr persönliche Geschichte lesen Unternehmer der Automatenwirtschaft normalerweise in der Zeitung. Die betroffene Person jedoch vor sich zu sehen und förmlich zu spüren oder zu erahnen, wie das Leben in der Zeit der Spielsucht ausgesehen haben mag, verändert, sensibilisiert und rüttelt auf. Michael Mühleck äußerte daraufhin, dass er hoffe, Herr Brümmer habe nicht bei ihm gespielt. Persönliche Geschichten verfehlen nicht ihre Wirkung. „Neben den gesetzlichen Vorgaben, die unsere Mitgliedsunternehmen einhalten müssen, haben wir uns in Baden-Württemberg darauf verständigt, dass der Zutritt zu den Spielhallen wie in Bayern auch erst ab 21 Jahren möglich ist“, erzählt Mühleck. „Wir wollen hiermit verhindern, dass Menschen in der Pubertät in das Spiel geraten und damit das Leben, ihr Leben, aus den Augen verlieren.“ Das gleichzeitige Bespielen mehrerer Geräte, von dem Volker Brümmer erzählt hatte, werde es nach seinen Worten ab 2021 nicht mehr geben, da dann nur noch Geräte mit einem Freischaltmedium zugelassen seien.
Georg Stecker betonte: „Wir brauchen Partner für den wirkungsvollen Spielerschutz und wir suchen das Gespräch, den Austausch, denn nur so können wir und unsere Maßnahmen besser werden und nur so kann den Betroffenen geholfen werden.“
Dies unterstützte Günther Zeltner, als er in seinem Statement davon sprach, dass es gemeinsame Konzepte des „Responsible Gamblings“ geben sollte. Das Ziel sei, dass Neuerkrankungen gering gehalten würden und für bereits Erkrankte eine geeignete Ansprache gefunden werde. „Wenn wir gemeinsam am Jugend- und Spielerschutz arbeiten“, so Zeltner, „so müssen wir bei jeder Kooperation die Haltung der Unternehmer wie der Kooperationspartner berücksichtigen“. Hieraus ergäben sich für ihn die drei wesentlichen Aufgaben in der Prävention: Die Haltung der Beteiligten zum Glücksspiel generell, die Frage, wie Spielerschutz angesichts der wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer glaubwürdig gemacht wird und die Frage nach der Machbarkeit und Wirksamkeit präventiver Maßnahmen im Setting. „Wir wissen zurzeit viel zu wenig über diese Punkte und es wäre wirklich gut, sagen zu können, was wirkt und was nicht“, sagte Zeltner. Sinnvolle Studien seien dringend erforderlich, um sich dem Thema Prävention im Glücksspiel weiter zu nähern und auch nachvollziehbare Erfolge zu erzielen. Hinzu kommen die Betroffenen selbst, da sich nur ein kleiner Teil von ihnen auf den Weg in eine Beratungsstelle oder Therapie mache. „Auch an dieser Stelle müssen wir überlegen, inwieweit Veränderungen notwendig sein können, um die Betroffenen besser und zeitlich schneller zu erreichen“, so Zeltner.
Die Diskussion 2019 hat eine neue Qualität. Die Vertreter des Hilfesystems befinden sich wie alle Beteiligten in einem Prozess, der Kommunikation und Dialog ermöglicht. Für Kristina Kasimirski war die Zusammenarbeit von Anfang an gar keine Frage: „Als ich bei der eva vor zwei Jahren angefangen habe, war von vornherein klar, dass wir mit den Anbietern zusammenarbeiten, hauptsächlich in Schulungen für das Personal und die Unternehmer. Das habe ich nie infrage gestellt“. Und sie sieht auch, dass sich diese Zusammenarbeit positiv weiterentwickelt.
Ein weiteres Thema des Runden Tisches war die geplante Schließung von Spielhallen in Baden-Württemberg. Hier wurde deutlich, dass dies nicht im Sinne des Hilfesystems ist. „Ich halte nichts von Schließungen und bin gegen die Abstandsregelung“, sagte Holger Urbainczyk, bwlv e.V., Fachstelle Sucht Villingen-Schwenningen. Wenn es keinen terrestrischen Markt mehr gebe, könne dieser auch nicht mehr kontrolliert werden und dann würden auch die Spieler nicht mehr erreicht. Weitere Vertreterinnen der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg bekräftigten diese Position und fragten, was die Unternehmer bei ihren Kunden bewirken könnten, damit die Weiterleitung ins Hilfesystems funktioniere. Die Anbieter hätten große Ressourcen durch ihr Servicepersonal und sollten ihnen mehr Ermutigung und Unterstützung geben. Gleichzeitig bat Andreas Engler, Vorsitzender des FORUM für Automatenunternehmer e. V., die Präventionsschulungen für das Personal nicht immer mit den gleichen Inhalten durchzuführen, sondern mehr auf die Praxis der Teilnehmer auszurichten. Dem widersprach Holger Urbainczyk und sagte: „Es geht um die Sensibilisierung der Mitarbeiter und es geht darum, ihnen den Mut zu geben, die Gäste anzusprechen“. Seine Schulungen basierten zu einem großen Teil auf der Beziehungsarbeit, die in diesem Bereich zu leisten sei. Hier räumte Martin Restle, Vorsitzender der Geschäftsführung der Admiral Entertainment GmbH, ein, dass die Mitarbeiter mit ihrer Vermittlerrolle manchmal überfordert seien. Die Verantwortung für das Spiel dürfe nicht einfach so auf die Mitarbeiter abgeschoben werden. Er fragte, wie der aktive Spielerschutz gestaltet werden könne, wenn die Mitarbeiter Angst hätten, den Gast anzusprechen.
Einig waren sich alle Anwesenden, dass man auf dem Weg sei und es viele Themen gebe, die diskutiert werden müssen. „Wenn wir daran denken, wo wir gestern waren, wo wir heute sind und wo wir morgen sein möchten, dann ist noch nicht alles perfekt, aber das hier ist der richtige Weg“, so Engler.
Darüber hinaus ging es am Runden Tisch um die Möglichkeit, Präventionsmaßnahmen wirklich messbar zu machen, es wurde über die Zertifizierung von Spielhallen diskutiert und die Branche insgesamt, wobei auch Illegalität und das Onlinespiel thematisiert wurden.
Abschließend stellten die Teilnehmer fest, wie wichtig es ist, sich von Zeit zu Zeit auszutauschen und in Kontakt zu bleiben, um aufgeworfene Fragen weiter zu diskutieren und Lösungen, insbesondere auch gemeinsame Lösungen, zu finden. Daher verabredeten die Anwesenden sich zu einem weiteren Runden Tisch in nicht allzu ferner Zukunft.
Präventionstag Copyright © 2018 Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V.
Dircksenstraße 49, 10178 Berlin Präventionstag - Email
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